Der Architekt Rudolf Olgiati vermachte kurz vor seinem Tod 1995 einen Teil seiner Kulturgütersammlung der Gemeinde Flims mit der Auflage, das mitten im Dorf stehende «Gelbe Haus» nach seinem Geschmack umzubauen, insbesonders «es von zuoberst bis zuunterst weiss anzustreichen». 1997 erhielt sein Sohn, Valerio Olgiati, von der Gemeinde Flims den Architekturauftrag zur Neugestaltung des Hauses.
Die Architektur des Gelben Hauses hat beim Fachpublikum für nationales und internationales Aufsehen gesorgt. 1999 wurde das Haus mit dem Goldenen Hasen für die beste Schweizer Architektur bedacht, einer Auszeichnung des Architekturmagazins Hochparterre in Zusammenarbeit mit der Nachrichtensendung 10 vor 10 des Schweizer Fernsehens. Jüngst wurde das Gelbe Haus zusammen mit weiteren Objekten von einer Fachjury mit dem Preis Gute Bauten in Graubünden 2001 ausgezeichnet.
*Basler Zeitung, 10.6.2000
«Das kleinbürgerliche Haus, mitten im Ort und am Scheitelpunkt einer leichten Kurve situiert, so dass es sich dem Blick der Passanten in beiden Richtungen unausweichlich darbietet, hatte seit Jahrzehnten leer gestanden und früher einen Gemüseladen und Wohnungen beherbergt. Um dieses für Ausstellungen dienlich zu machen, war im Inneren ein radikaler Umbau notwendig. Valerio Olgiati hat das Haus bis auf die Hülle ausgekernt, den Eingang von der Strassen- auf die östliche Seitenfassade verlegt und auch das Dach neu konzipiert. In die ausgekernte Hülle setzt Olgiati eine für alle Geschosse identische Boden-/Deckenstruktur, die die Räume auf der Grundlage des tragenden Balkenkreuzes und durch die wechselnde Laufrichtung der Riemen bzw. Balken in vier unterschiedlich grosse Felder gliedert. … Die dergestalt geometrische Innenstruktur wird selbst jedoch von einem Element des Zufalls geprägt: die Verbindung des Balkenkreuzes und damit auch die Position des stützenden Holzpfeilers ist frei gewählt. Im Dachgeschoss mutiert das nicht mehr tragende Balkenkreuz im Verein mit dem schräg zur Dachspitze abgewinkelten Pfeiler zu einer expressiven Raumplastik, welche die innere Struktur des Hauses offenlegt und gleichzeitig irritierend überhöht.
Damit entstehen Innenräume, die mit der ursprünglichen Gestalt des Hauses und seiner damaligen Nutzung vollkommen gebrochen haben. Die entschiedenste Umformung freilich hat die eigentliche Epidermis des Hauses erfahren. Der sehr glatte, flächig in Erscheinung tretende Verputz, wie er früher für einen Grossteil der gewöhnlichen Bauten aus dem 19. Jahrhundert charakteristisch war, ist vollständig abgeschlagen.
Die zu schliessenden Öffnungen sind mit Ortsbeton gefüllt; auch die neuen Fensterlaibungen und über der obersten Fensterreihe ein das ursprüngliche Haus überhöhendes Band bindet schliesslich diese neuen Flicken in die alte Substanz aus grob gemauertem Bruchstein ein.» (Heinrich Helfenstein)
Aus: Valerio Olgiati, Das Gelbe Haus, Kunsthaus Bregenz, archiv kunst architektur, Werkdokumente 19 (Hatje Cantz Verlag 2000)